210. Duodez-Canstein-Bibel 1792
Die Bibel, oder die ganze Heilige Schrift des alten und neuen Testaments
nach der deutschen Übersetzung D. Martin Luthers.
(Vorrede von: G. A. Freylinghausen)
Die CCX. Auflage.
Gedruckt in Halle in der Cansteinischen Bibel-Anstalt 1792
21 Seiten + 1 Blatt + 1079 + 308 Seiten + 2 Blätter
Duodez-Format
Weitere Angaben und Bilder folgen.
Die 6-Groschenbibel
Ein Traum wird
Wirklichkeit
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Seit der Reformation wurden zahlreiche Bibeln in den verschiedensten Formaten und in unterschiedlichen Ausstattungen für Gelehrte und Prediger, für Fürsten und Hausväter gedruckt und vertrieben. Es gab evangelische, katholische und reformierte Bibeln.
Der Dreißigjährige Krieg brachte einen schweren Rückgang der Bibelverbreitung und des Besitzes an Bibeln mit sich. Viele Bibeln wurden vernichtet, zahlreiche Druckereien zerstört. Sehr schnell erholte sich jedoch der Bibeldruck, der Stern-Verlag in Lüneburg, der Endter-Verlag in Nürnberg und der Verleger Wust in Frankfurt als die Größten dieser Branche brachten sehr schöne Bibeln, z.,T. große Folianten mit schönen llustrationen und aufwändigen Kommentaren auf den Markt. Ende des 17. Jahrhunderts gab es wieder ein vielfältiges Bibelangebot. Diese Bibeln hatten aber einen Nachteil: Sie waren zu teuer, nur eine begüterte Schicht der Bevölkerung konnte sich das leisten, das „gemeine Volk“ war praktisch ausgeschlossen.
Nach Luthers Tod hatten sich die
Gewichte der evangelischen Theologie verschoben. Es galt zwar noch das „sola
scriptura“ aber in der Praxis hatte die Bibel im Zuge der Orthodoxie nicht mehr
die Bedeutung, die sie bei Luther hatte. Eine neue evangelische Bewegung, der
Pietismus, sorgte nun für eine neue Bewertung der Bibel. Für Philipp Jakob
Spener (1635-1705), einen Hauptvertreter des Pietismus, war die Bibel das „Buch
des Lebens“. Mit seiner Schrift (1675) „PIA DESIDERIA: oder Hertzliches
Verlangen/Nach Gottgefälliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen/sampt
einigen dahin einfältig abzweckenden christlichen Vorschlägen/Philipp Jakob
Speners/…“ hat er ein Reformprogramm für die evangelische Kirche formuliert. Für
die Gründung einer Bibelgesellschaft ist der erste Vorschlag der wichtigste,
weil hier zum erstenmal seit Luther die zentrale Bedeutung der Bibel als das
Wort Gottes, das in der Kirche wirken und darum gelesen und gehört werden muß,
in Erinnerung gerufen wird. Dort heißt es: „1. Daß man dahin bedacht wäre/ das
wort Gottes reichlicher unter uns zu bringen. Wir wissen/ dass wir von natur
nichts guts an uns haben/sondern soll etwas an uns seyn/ so muß es von Gott in
uns gewürcket werden/ und dazu ist das wort das kräfftige mittel…“. Die
Auslegung einzelner Predigttexte im Gottesdienst hält er nicht für ausreichend
und fordert: „Daher auch alle Schrifft ohne außnahm der Gemeinde bekannt solle
seyn“. Um das zu erreichen, soll die Bibel auch zuhause gelesen werden: „Das ist
je nicht schwer/ dass jeglicher Hausvatter seine Bibel oder auffs wenigste das
Neue Testament bey handen habe/ und täglich etwas in solchem lese. Damit war das
Programm klar: Die Bibel sollte zum Volksbuch gemacht
werden.
Bei August Hermann Francke (1663-1727) fielen diese Gedanken
auf fruchtbaren Boden. Er entfaltete eine geistliche, soziale und pädagogische
Tätigkeit, die für die Geschichte der evangelischen Kirche von größter Bedeutung
werden sollte. Sein Lebenswerk war das Waysenhaus in Halle, die sog. Frankeschen
Stiftungen. Francke hatte bei seiner Arbeit als Pfarrer festgestellt, dass ein
grosser Bedarf an Bibeln bestand. Er kaufte bzw. ließ selbst Bibeln drucken und
verkaufte diese verbilligt. Da er bei dieser Methode permanent auf Sponsoren
angewiesen war, war dies keine dauerhafte Lösung. Die Frage war, wie die
Bibelherstellung billiger werden könnte.
Diesen Gedanken trug Francke seinem Freund, Carl Hildebrand Freiherr von Canstein (1667-1719) 1709 vor. Von Canstein beschäftigte sich mit der Thematik und gab am 1. März 1710 einen Aufruf mit dem Titel „Ohnmaßgeblicher Vorschlag/ Wie Gottes Wort denen Armen zur Erbauung um einen geringen Preiß in die Hände zu bringen“ heraus. Dieses Datum gilt seither als das Gründungsdatum der von Cansteinischen Bibelanstalt. Es handelte sich um einen Spendenaufruf um das nötige Kapital zu sammeln um billig Bibeln herstellen zu können. Ziel war es, eine Bibel für 6 Groschen verkaufen zu können.
Die Arbeit des Cansteinischen Bibelwerkes begann 1712 mit der Herausgabe eines Neuen Testaments. Dieses Werk konnte aber erst ab der 4. Auflage Ende 1713 im Stereotypsatz gedruckt werden. 1713 erschien die erste Vollbibel in einem größerem Format (Großoktav). Leider konnte aber der Preis von 6 Groschen nicht gehalten werden, es mussten 10 Groschen sein. Von Canstein wollte aber sein Versprechen erfüllen, die Bibel zu 6 Groschen zu liefern. Deshalb erschien 1715 eine Bibel mit kleiner Schrift und kleinem Format (Großduodez) auf schlechterem Papier, die zunächst tatsächlich für 6 Groschen verkauft wurde. Dies ist das abgebildete Exemplar. Allerdings musste der Preis von der 2. Auflage an auf sieben Groschen erhöht werden, konnte aber nach Einführung des Stereotypdrucks für diese Bibel 1722 wieder auf 6 Groschen gesenkt werden. Damit war das Ziel erreicht, eine Vision ist wahr geworden. Es handelt sich um eine einfache Bibelausgabe, ohne Illustrationen und ohne Anmerkungen und Erläuterungen. Dieses „einfache“ Buch hat man in die Hände von Laien gegeben und ihnen zugetraut, dass das Wort Gottes auf fruchtbaren Boden fällt.
Das Cansteinische Bibelwerk war sehr erfolgreich, allein in den ersten hundert Jahren, von 1712-1812 wurden fast 2 Millionen Bibeln gedruckt und verkauft.
Im 19. Jahrhundert begann der Stern der Cansteinischen Bibelanstalt in Halle zu sinken, die Konkurrenz der Anfang des 19. Jahrhunderts gegründeten anderen Bibelgesellschaften in Deutschland war zu groß. 1931 gibt man in Halle das letzte Neue Testament heraus. 1938 geht die Cansteinische Bibelganstalt mit der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft zusammen.
Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bringen weitere
Veränderungen. Die Preußische Haupt-Bibelgesellschaft, die jetzt ihren Sitz im
Ostteil Berlins hat, ändert ihren Namen in „Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft
zu Berlin“ und sieht sich nicht mehr
in der Lage, die im Westen
Deutschlands und West-Berlins
benötigten Bibeln und Neuen Testamente in ausreichender Zahl zu liefern.
So tritt 1951 ein kirchliches Gremium in Bethel zusammen und
beschließt die Wiedergründung der von Cansteinischen Bibelanstalt für
Westdeutschland. Die letzte Cansteinbibel erschien 1978, nachdem die von
Cansteinische Bibelanstalt ihre eigene Bibelproduktion aufgegeben und sich mit
der Württembergischen Bibelanstalt zur Deutschen Bibelstiftung, der jetzigen
Deutschen Bibelgesellschaft zusammengetan hatte. Geblieben ist die „von
Cansteinische Bibelanstalt in Westfalen“ mit ihrem Sitz in Dortmund. Der
Schwerpunkt der jetzigen Arbeit ist es, Menschen zum Lesen der Bibel zu
ermutigen und ihnen dazu Zugänge und Verstehenshilfen anzubieten.
Vielen Dank an Herrn Herbert Kempf für die Verfassung und Bereitstellung dieses Textes.