22. Duodez-Canstein-Bibel 1726

 

Biblia, Das ist: Die gantze Heil. Schrift Altes und Neues Testaments,

 Nach der Teutschen Ubersetzung D. Martin Luthers; Mit iedes Capitels kurtzen Summarien,

 auch beygefügten vielen und richtigen Parallelen; Mit Fleiß übersehen, Und gegen einige,

 sonderlich erstere, Editiones des sel. Mannes gehalten, auch an unterschiedlichen Orten nach

 denselben eingerichtet, und von vielen in den bisherigen Exemplarien hin und wieder

 eingeschlichenen druckfehlern gesaubert.

 Nebst der Vorrede Des S. Hn. Baron C. H. von Canstein.

Die XXII. Auflage.

 

Gedruckt in Halle im Waisenhaus 1726

 

22 Seiten + 1 Blatt + 1079 + 308 Seiten + 2 Blätter

Duodez-Format

Weitere Angaben und Bilder folgen.

 

Die 6-Groschenbibel

Ein Traum wird Wirklichkeit

 Kurze Geschichte der von Cansteinischen Bibelanstalt

 

Seit der Reformation wurden zahlreiche Bibeln in den verschiedensten Formaten und in unterschiedlichen Ausstattungen für Gelehrte und Prediger, für Fürsten und Hausväter gedruckt und vertrieben. Es gab evangelische, katholische und reformierte Bibeln.

Der Dreißigjährige Krieg brachte einen schweren Rückgang der Bibelverbreitung und des Besitzes an Bibeln mit sich. Viele Bibeln wurden vernichtet, zahlreiche Druckereien zerstört. Sehr schnell erholte sich jedoch der Bibeldruck, der Stern-Verlag in Lüneburg, der Endter-Verlag in Nürnberg und der Verleger Wust in Frankfurt als die Größten dieser Branche brachten sehr schöne Bibeln, z.,T. große Folianten mit schönen llustrationen und aufwändigen Kommentaren auf den Markt. Ende des 17. Jahrhunderts gab es wieder ein vielfältiges Bibelangebot. Diese Bibeln hatten aber einen Nachteil: Sie waren zu teuer, nur eine begüterte Schicht der Bevölkerung konnte sich das leisten, das „gemeine Volk“ war praktisch ausgeschlossen.

Nach Luthers Tod hatten sich die Gewichte der evangelischen Theologie verschoben. Es galt zwar noch das „sola scriptura“ aber in der Praxis hatte die Bibel im Zuge der Orthodoxie nicht mehr die Bedeutung, die sie bei Luther hatte. Eine neue evangelische Bewegung, der Pietismus, sorgte nun für eine neue Bewertung der Bibel. Für Philipp Jakob Spener (1635-1705), einen Hauptvertreter des Pietismus, war die Bibel das „Buch des Lebens“. Mit seiner Schrift (1675) „PIA DESIDERIA: oder Hertzliches Verlangen/Nach Gottgefälliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen/sampt einigen dahin einfältig abzweckenden christlichen Vorschlägen/Philipp Jakob Speners/…“ hat er ein Reformprogramm für die evangelische Kirche formuliert. Für die Gründung einer Bibelgesellschaft ist der erste Vorschlag der wichtigste, weil hier zum erstenmal seit Luther die zentrale Bedeutung der Bibel als das Wort Gottes, das in der Kirche wirken und darum gelesen und gehört werden muß, in Erinnerung gerufen wird. Dort heißt es: „1. Daß man dahin bedacht wäre/ das wort Gottes reichlicher unter uns zu bringen. Wir wissen/ dass wir von natur nichts guts an uns haben/sondern soll etwas an uns seyn/ so muß es von Gott in uns gewürcket werden/ und dazu ist das wort das kräfftige mittel…“. Die Auslegung einzelner Predigttexte im Gottesdienst hält er nicht für ausreichend und fordert: „Daher auch alle Schrifft ohne außnahm der Gemeinde bekannt solle seyn“. Um das zu erreichen, soll die Bibel auch zuhause gelesen werden: „Das ist je nicht schwer/ dass jeglicher Hausvatter seine Bibel oder auffs wenigste das Neue Testament bey handen habe/ und täglich etwas in solchem lese. Damit war das Programm klar: Die Bibel sollte zum Volksbuch  gemacht werden.

Bei August Hermann Francke (1663-1727) fielen diese Gedanken auf fruchtbaren Boden. Er entfaltete eine geistliche, soziale und pädagogische Tätigkeit, die für die Geschichte der evangelischen Kirche von größter Bedeutung werden sollte. Sein Lebenswerk war das Waysenhaus in Halle, die sog. Frankeschen Stiftungen. Francke hatte bei seiner Arbeit als Pfarrer festgestellt, dass ein grosser Bedarf an Bibeln bestand. Er kaufte bzw. ließ selbst Bibeln drucken und verkaufte diese verbilligt. Da er bei dieser Methode permanent auf Sponsoren angewiesen war, war dies keine dauerhafte Lösung. Die Frage war, wie die Bibelherstellung billiger werden könnte.

 Ein Mitarbeiter machte Francke auf eine neue Erfindung aus Holland aufmerksam: dem Druck vom stehenden Satz (Stereotypsatz). Es war damals üblich, die Lettern des Satzes nach dem Druck eines Bogens wieder herauszunehmen und sie für den Satz des nächsten Bogens zu verwenden. Dadurch konnte man mit wenigen Lettern, also mit geringem Kapitaleinsatz eine Bibel drucken. Aber dafür war natürlich das Setzen sehr zeitaufwändig. Bei der neuen Arbeitsweise blieb der Satz für die gesamte Bibel stehen und konnte immer wieder für eine neue Auflage benutzt werden. Dadurch wurde der Neudruck billig. Der Nachteil war, dass für die Anschaffung der vielen Lettern ein hoher Kapitaleinsatz nötig war.

Diesen Gedanken trug Francke seinem Freund, Carl Hildebrand Freiherr von Canstein (1667-1719) 1709 vor. Von Canstein beschäftigte sich mit der Thematik und gab am 1. März 1710 einen Aufruf mit dem Titel „Ohnmaßgeblicher Vorschlag/ Wie Gottes Wort denen Armen zur Erbauung um einen geringen Preiß in die Hände zu bringen“ heraus.  Dieses Datum gilt seither als das Gründungsdatum der von Cansteinischen Bibelanstalt. Es handelte sich um einen Spendenaufruf um das nötige Kapital zu sammeln um billig Bibeln herstellen zu können. Ziel war es, eine Bibel für 6 Groschen verkaufen zu können.

Die Arbeit des Cansteinischen Bibelwerkes begann 1712 mit der Herausgabe eines Neuen Testaments. Dieses Werk konnte aber erst ab der 4. Auflage Ende 1713 im Stereotypsatz gedruckt werden. 1713 erschien die erste Vollbibel in einem größerem Format (Großoktav). Leider konnte aber der Preis von 6 Groschen nicht gehalten werden, es mussten 10 Groschen sein. Von Canstein wollte aber sein Versprechen erfüllen, die Bibel zu 6 Groschen zu liefern. Deshalb erschien 1715 eine Bibel mit kleiner Schrift und kleinem Format (Großduodez) auf schlechterem Papier, die zunächst tatsächlich für 6 Groschen verkauft wurde. Dies ist das abgebildete Exemplar. Allerdings musste der Preis von der 2. Auflage an auf sieben Groschen erhöht werden, konnte aber nach Einführung des Stereotypdrucks für diese Bibel 1722 wieder auf 6 Groschen gesenkt werden. Damit war das Ziel erreicht, eine Vision ist wahr geworden. Es handelt sich um eine einfache Bibelausgabe, ohne Illustrationen und ohne Anmerkungen und Erläuterungen. Dieses „einfache“ Buch hat man in die Hände von Laien gegeben und ihnen zugetraut, dass das Wort Gottes auf fruchtbaren Boden fällt.

Das Cansteinische Bibelwerk war sehr erfolgreich, allein in den ersten hundert Jahren, von 1712-1812 wurden fast 2 Millionen Bibeln gedruckt und verkauft.

Im 19. Jahrhundert begann der Stern der Cansteinischen Bibelanstalt in Halle zu sinken, die Konkurrenz der Anfang des 19. Jahrhunderts gegründeten anderen Bibelgesellschaften in Deutschland war zu groß. 1931 gibt man in Halle das letzte Neue Testament heraus. 1938 geht die Cansteinische Bibelganstalt mit der Preußischen Haupt-Bibelgesellschaft zusammen.

Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bringen weitere Veränderungen. Die Preußische Haupt-Bibelgesellschaft, die jetzt ihren Sitz im Ostteil Berlins hat, ändert ihren Namen in „Evangelische Haupt-Bibelgesellschaft zu Berlin“ und sieht sich nicht mehr  in der Lage, die  im Westen Deutschlands und  West-Berlins benötigten Bibeln und Neuen Testamente in ausreichender Zahl zu liefern.

So tritt 1951 ein kirchliches Gremium in Bethel zusammen und beschließt die Wiedergründung der von Cansteinischen Bibelanstalt für Westdeutschland. Die letzte Cansteinbibel erschien 1978, nachdem die von Cansteinische Bibelanstalt ihre eigene Bibelproduktion aufgegeben und sich mit der Württembergischen Bibelanstalt zur Deutschen Bibelstiftung, der jetzigen Deutschen Bibelgesellschaft zusammengetan hatte. Geblieben ist die „von Cansteinische Bibelanstalt in Westfalen“ mit ihrem Sitz in Dortmund. Der Schwerpunkt der jetzigen Arbeit ist es, Menschen zum Lesen der Bibel zu ermutigen und ihnen dazu Zugänge und Verstehenshilfen anzubieten.

Vielen Dank an Herrn Herbert Kempf für die Verfassung und Bereitstellung dieses Textes.